1918 – 1938 – 1968 – 2018
Zeitgenössische Kunstbeiträge zu 100 Jahren Geschichte anhand des Gerichtes „Ritschert“
mein Beitrag : Animationsfilm HOTPOT:BOTTOM 5min. 2018
Präsentation, Symposium, Diskussion
- Juni 2018, 18 – 22 h
Verlagshaus Keiper, Puchstraße 17, 8020 Graz
PROGRAMM
Begrüßung Anita Keiper, edition keiper
Begrüßung Siegfried Nagl, Bürgermeister (angefragt)
Einführung Luise Kloos, Projektleitung
Ritschert: Koch-Kunst. Kunst-los. Andrea Wolfmayr, Autorin
Spätfrühling, Ritschert und
der Traum vom Apfelbaum Josip Zanki, Autor
gelesen von Schauspielerin Ninja Reichert
Vortrag Karin Schmidlechner, Zeithistorikerin, Univ. Graz
Podiumsdiskussion Karin Schmidlechner, Melitta Moschik,
Barbara Höller, Gerlinde Thuma, Josip Zanki,
Andrea Wolfmayr, Bgm. Siegfried Nagl
Videopräsentation Studierende FH Joanneum
Kunstfilme Barbara Höller
Davide Skerlj
Lea Titz
Gerlinde Thuma
Josip Zanki
Musik
Buffet
RitschART – Buch
Im vorliegenden Kunst-Koch-Buch ist das heute nur mehr wenig bekannte Gericht Ritschert Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit historischen Ereignissen des 20. Jahrhunderts. Dabei handelt es sich um das Ende des Ersten Weltkrieges und zugleich der Monarchie im Jahr 1918, den Anschluss an Hitler-Deutschland 1938 und um die Studentenproteste und Bürgerbewegungen 1968.
Das Gericht Ritschert, ein Gerstenbrei mit Fleisch, Bohnen aber auch mit Erbsen und Linsen, wird zum Sinnbild für die durch die historischen Kriegsereignisse und Wirren der Vergangenheit verursachte Armut. Die sehr sättigende Speise galt in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts als Essen der armen und körperlich schwer arbeitenden Bevölkerung. Der lapidare Eintopf, der gerne aus einem Topf gegessen wurde und somit das Gemeinschaftsgefühl stärkte, schmeckt letztendlich besser als sein heutiger Ruf als Armeleuteessen es erwarten lässt.
Eine erste schriftliche Erwähnung des Gerichtes, wenn auch nicht des Namens, stammt von Paolo Santonino, der 1485 im Bericht von einem Essen im Gailtal den achten Gang Gerste in fetter Fleischsuppe nennt. Das Wort wurde erstmals 1534 im Klosterkochbuch von Tegernsee als ru(e)tschart genannt. Das Gericht hat auch Eingang in die jüdische Küche gefunden, wo es mit Gänsefleisch anstatt Schweinefleisch zubereitet wird (Scholet, ‚Gansbiegel‘ bzw. Gänsekeule mit Ritschert). In Istrien und Dalmatien ist Ritschert bekannt als „Orzo“. In Norditalien als „Orco“. In Nordkroatien und Slowenien wird es „Ričet“ bezeichnet.
Man kann aus diesem Gericht die gesellschaftliche Entwicklung ablesen und mit Joseph Beuys die Idee der „Sozialen Plastik“ verstehen. Hinter der Forderung der Sozialen Plastik von Joseph Beuys steht die Hoffnung, dass die Kunst als interdisziplinäre Sprache zwischen Natur und Mensch in Bezug auf die bestehende Umweltproblematik vermitteln kann und somit die Verwirklichung in allen Lebensbereichen der Gesellschaft das Leben auf der Erde zum Positiven verändert.
In meinen Vorbereitungen schrieb mir Herr Univ.-Prof. Dr. Günther Jontes folgende Zeilen: „Wort und Sache sind auch früh in Bayern belegt. In Österreich konzentrieren sich die Belege auf Steiermark und Kärnten. Dass die Speise auch in Wien bekannt ist, dürfte auf den Zuzug von Leuten aus den genannten Bundesländern zurückzuführen sein. Mir ist aufgefallen, dass als Fleischbeigabe immer nur von Selchfleisch die Rede ist und Knorpelteile vom Schwein nie vorkommen, wie ich es seinerzeit erlebt habe. Die jetzige Generation kennt es kaum mehr. Ich bekam es in Kindheit und Jugend von Großmutter und Mutter serviert.“
Erstmals nahmen sich fünf bildende Künstlerinnen und Künstler aus Österreich, Italien und Kroatien dieses Gerichtes als Thema an. Barbara Höller, Gerlinde Thuma, Lea Titz, Davide Skerlj und Josip Zanki schufen Zeichnungen, die animiert und Bestandteil ihrer Videoarbeiten wurden. Basierend auf diesen Arbeiten schreibt Dagmar Probst über die kunsthistorische Bedeutung des Essens.
Die gesellschaftliche Entwicklung der Rolle der Frauen ist in diesem Buch von der Zeithistorikerin Karin Schmidlechner beschrieben. Andrea Wolfmayr nähert sich literarisch an das Thema, das durch sie selbst ein Stück Zeitgeschichte ist. Josip Zanki beschreibt in seinem Text seine Erinnerungen an das Gericht „Orzo“ in Dalmatien.
Das Projekt RitschART wurde auch mit dem FH Studiengang Ausstellungsdesign der FH Joanneum unter der Leitung von Prof. Melitta Moschik bearbeitet. Einige Studierende haben auf historische Ereignisse Bezug genommen und Designideen bzw. kurze Videos entwickelt. Einige dieser Arbeiten werden in diesem Buch vorgestellt.
Ich bedanke mich bei allen Beteiligten für die begeisterte Mitarbeit an einem Thema, das ein Gericht zum Ausgangspunkt hat und so ein wenig die Geschehnisse des 20. Jahrhunderts mit zeitgenössischen Ausdrucksformen begreiflich macht.
Luise Kloos, Projektleitung
Veranstalter
next – Verein für zeitgenössische Kunst, www.nextkunst.at